Die seelischen Kosten der Karriere

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Rubrik Beruf und Chance, von Ursula Kals, Ausgabe vom 14.10.2006, Nr. 239, S. C1

Karriere hat ihren Preis. Regelmäßige Überprüfung dieses persönlichen Preises quasi eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung vorzunehmen, sollte genauso selbstverständlich sein wie der Blick auf die Bilanzen oder das eigene Konto.

Verändert eine Führungsrolle einen Menschen? Immer – nur in welche Richtung. Den Praxistest kann jeder machen, der erlebt, wie jemand aus den eigenen Reihen aufgestiegen ist und langsam mit etwas infiziert wird, worunter Belegschaften leiden: schleichendem Unfehlbarkeitswahn. Kritik wird als störend wahrgenommen und unterdrückt. “Das ist leider nicht so selten. Was man macht, wird nicht mehr hinterfragt. Alle ziehen den Kopf ein, sonst fliegen die Köpfe. Das ist im Grunde monarchistisches Verhalten. Heute heißt es hü, morgen hott, und dann segelt die Mannschaft eben mit”, sagt der Offenbacher Psychologe Werner Gross. “Ich möchte niemandem die Karriere vermiesen. Aber man sollte sich klarmachen, daß sie ihren Preis hat. Karriere ist ein Marathon, kein Sprint.”

“Und sie kostet viel Verzicht”, sagt die Berliner Karriereexpertin Brigitte Scheidt und nennt nüchtern den Preis der Karriere: “Unter permanentem Leistungsdruck zu stehen. Anfeindungen ausgesetzt zu sein, Neid und Mißgunst zu erfahren. Die Einsamkeit der Macht zu erleben. Und eventuell psychosomatische Reaktionen.” So gelangt das Karlsruher Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Ende der neunziger Jahre nach der Auswertung von 6000 Tests zu dem Ergebnis, daß 85 Prozent der untersuchten Manager an stresstypischen Erkrankungen wie Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden und Kreislauferkrankungen leiden.

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